19. Juli 2010
Rufanlage stärkt Gemeinschaft
Mannheimer Morgen berichtet über Duttweiler

Der Mannheimer Morgen berichtet über die Ortsrufanlage:
Aus dem viereckigen, mausgrauen Lautsprecher an der Hausfassade schallt eine Durchsage zu den Dutzenden Leuten, die auf dem Gehweg ihre Köpfe zur Straße recken: In Führung liegt der Fahrer mit der Startnummer 12. Sekunden später zischt eine Gruppe von Radrennfahrern um die Kurve. Diese Szene spielt nicht in einem Dorf bei der Tour de France, sondern im Neustadter Ortsteil Duttweiler. An diesem Tag genießt ein Radrennen die Aufmerksamkeit der Einwohner, als eigentlicher Star des Weindorfes beherrscht aber die Ortsrufanlage den Alltag der Dorfgemeinschaft.
Wenn der Friedhof Hobby-Landschaftsgärtner sucht, der Gemeindeplatz eine Sanierung nötig hat, Sturmschäden im Schwimmbad ein Fest bedrohen oder der Fußballverein dringend einen neuen Stürmer braucht, trommelt Ortsvorsteher Gerhard Syring-Lingenfelder über die im ganzen Dorf verstreuten rund 50 Lautsprecher Freiwillige zusammen. Unser besonderes Kommunikationssystem stärkt auch die Dorfgemeinschaft, sagt Syring-Lingenfelder. So haben die Leute das Gefühl, jeder hilft dem anderen.
Jeden Tag, außer am Sonntag, informiert der Chefansager die Bürger um 17 Uhr über wichtige Entwicklungen in Duttweiler. Den Wert der altmodisch anmutenden Rufanlage für den Gemeinschaftssinn bestätigen die Einwohner selbst. Beim Thema Ortsrufanlage halten sogar die verschiedenen politischen Parteien zusammen, betont Fritz Großhans. Wenn die Erkennungsmelodie durch die Straßen tönt, rennen alle Leute ans Fenster, ergänzt Tanja Burkhardt. Auch in Zeiten des Internets spricht unsere Anlage viele junge Menschen an.
Fanfare von Tschaikowski
Für den Wiedererkennungswert sorgt die Fanfare aus einem Tschaikowski-Werk. Zu Beginn, 1959, lief die Musik noch vom Plattenspieler. Heute spiele ich den Titel von einer DVD, macht Syring-Lingenfelder den Wandel der Zeit deutlich.
Die Nachrichten über den heißen Draht sorgen auch für das eine oder andere Schmunzeln. Ich habe mal per Durchsage einen entlaufenen Hamster gesucht, nachdem die Eltern zweier Kinder aufgelöst bei mir angerufen hatten, erzählt der Ortsvorsteher. Die Bewohner fanden das Nagetier tatsächlich: in seinem Käfig auf dem Dorfplatz, wo ihn die Kinder beim Spielen vergessen hatten.
Doch solche Durchsagen könnten bald seltener werden: Der Zahn der Zeit nagt an der Ortsrufanlage. Immer wieder fallen einzelne Lautsprecher aus, die alten Leitungen zerbröseln langsam. Doch für Reparaturen stehen im Jahr nur 400 Euro zur Verfügung. Es wird Zeit, dass etwas passiert, sagt Bewohnerin Burkhardt. Erst, wenn die Anlage nicht funktioniert, fällt auf, dass sie in Duttweiler unverzichtbar ist

Pressespiegel
Rufanlage stärkt Gemeinschaft Mannheimer Morgen, 19.07.2010