Yulya Andryan ist seit 2016 Spielerin und Tischtennistrainerin beim VfL Duttweiler. Sie lebt mit Mann und Sohn seitdem in Speyer. Doch erst jetzt „beginne ich, mich hier zu Hause zu fühlen“, erzählt die 46-Jährige. Die gebürtige Aserbaidschanerin hat einen weiten Weg zurückgelegt, um in der Pfalz heimisch zu werden. Sie hat ihr Zuhause verlassen müssen und ein schweres Erdbeben überlebt.
Am Anfang sei es für sie in Deutschland recht schwer gewesen, erzählt Yulya Andryan, die als ehemalige armenische Nationalspielerin an jeweils drei Welt- und Europameisterschaften teilgenommen hat. „Ich spreche nicht deutsch“, sagt sie mit ihren noch immer nicht perfekten, aber inzwischen deutlich besser gewordenen Deutschkenntnissen. In einem Geschäft beim Einkaufen einfach mal mit der Verkäuferin übers Wetter zu reden, sei für sie zunächst nicht möglich gewesen. „Wenn Helmut Braun nicht gesagt hätte, dass ich zur Schule gehen muss – ich hätte es nicht gemacht“, gibt sie lächelnd zu und erklärt, warum es ihr noch immer schwer fällt, hier deutsch zu reden: „In Deutschland sprechen viele Menschen russisch – das ist schlecht, denn ich kann nicht gut deutsch lernen.“
Helmut Braun, das ist übrigens der rührige Tischtennis-Abteilungsleiter beim VfL Duttweiler , der Andryan unter seine Fittiche genommen hat. „Ich war 1998 in Eindhoven auf der EM, und Yulya hat dort gespielt“, erzählt er und lacht. Damals habe er nicht geahnt, dass diese Spielerin einmal in seinem Verein aktiv sein werde. Yulya Andryan hat es nach Deutschland verschlagen, weil ihr Mann hier Arbeit gefunden hat. Zuvor hat sie in Italien gelebt, wo sie von 1995 bis 2007 als Profispielerin sowie Trainerin in Messina (Sizilien), in Cagliari (Sardinien) und in Aosta aktiv gewesen ist. Die in Baku in Aserbaidschan geborene Sportlerin spricht längst fließend Italienisch, hat neben der armenischen auch die italienische Staatsangehörigkeit.
Mit Oma Nasik in
einem Zimmer gelebtAls Yulya Andryan 14 Jahre alt war, ist in Baku ihr Tischtennis-Talent entdeckt worden. Sie zog deshalb 1988 zu ihrer Großmutter in Armenien, mit der sie in einem Zimmer in einer Unterkunft gelebt hat. „Oma Nasik ist für mich wie eine Mama gewesen“, erinnert sich Andryan gerne an ihre mit 87 Jahren verstorbene Oma, die Mutter ihrer Mutter. Die Großmutter habe ihr immer Spinat gekocht und sie mit viel Obst versorgt. „Kutab mit viel Obst essen übrigens Aserbaidschaner und Armenier gerne“, weiß sie vom aserbaidschanischem Gericht aus dünn gerolltem Teig. Aber mal abgesehen von den dünnen und gefüllten Fladen gibt es nicht viele Gemeinsamkeiten beider Völker.
Andryans Eltern sind Armenier. Weil ihr Vater sich nicht mit seiner Stiefmutter verstanden habe, sei er einst nach Baku, nach Aserbaidschan gegangen, verrät die Tochter. Von Baku flüchtete die Familie im Jahr 1988 nach Armenien. „Alle Armenier haben damals Aserbaidschan verlassen“, erzählt Andryan und spricht damit den noch immer andauernden Konflikt um die Region Bergkarabach im Kaukasus zwischen beiden Staaten an, der aktuell wieder in die Schlagzeilen geraten ist. „Die politischen Probleme begannen – wir hatten Angst“, erklärt Yulya Andryan die Gründe für die Flucht: 1988 seien in der aserbaidschanischen 65.000-Einwohner-Stadt Sumgait „viele Armenier erschossen worden“.
Ihre Eltern hätten fast alles in Aserbaidschan zurückgelassen, erzählt sie, die zu diesem Zeitpunkt bereits bei der Oma in Armenien gewesen ist. Mit einer Nachbarin hätte ihre Familie einen Lkw bezahlt, diesen mit möglichst viel Hab und Gut beladen und sei nach Armenien gezogen. „Ich liebe aserbaidschanische und armenische Leute“, betont die Tischtennisspielerin heute. Sie bedauere den Konflikt zwischen den Ländern, denn „auf beiden Seiten sind viele junge Männer gestorben“. Sie möchte möglichst nichts mit Politik zu tun haben, betont sie.
25 000 Menschen beim Erdbeben gestorbenDie ohnehin schon nicht einfachen Umstände wurden im Dezember 1988 noch erschwert: Bei einem Erdbeben der Stärke 6,9 auf der Richterskala starben in Armenien rund 25.000 Menschen. Über 514.000 Menschen verloren ihr Zuhause. „Wir hatten kein Licht, keinen Strom“, weiß Andryan noch gut. Weil die Geflüchteten ihr Geld von der russischen in die armenische Währung gewechselt hätten, hätten alle zudem viel Geld verloren. Andryan: „Meine Eltern hatten keine Arbeit.“
Sie selbst sei bei ihrer Oma in der Hauptstadt Jerewan geblieben, weil sie dort Tischtennis gespielt habe. Ihre Eltern und Geschwister hätten in Goris gelebt, einer Stadt in der armenischen Provinz Sjunik, rund 250 Kilometer von der Hauptstadt Jerewan entfernt. „Die waren eine zirka sechs Stunden lange Fahrt weit weg“, beschreibt Andryan die Distanz zu ihrer Familie. Ihre Tante lebe noch immer dort. Yulya Andryan hat sechs Jahre in Armenien gelebt, bevor sie nach Italien gegangen ist, um dort Tischtennis zu spielen. Die Eltern sind etwa zehn Jahre in Armenien geblieben. In dem Land hat Yulya Andryan auch ihren Mann kennengelernt – die beiden haben 2004 in Armenien geheiratet. Er sei ihr später nach Italien gefolgt, berichtet sie.
Insgesamt 25 Jahre hat sie in Italien verbracht, hat dort nicht nur die Sprache erlernt, sondern auch das italienische Essen zu schätzen gelernt. „Lasagne kocht mein Mann“, verrät sie lachend. Er habe in Italien als Koch gearbeitet. Tiramisu und Pesto machten sie ebenfalls selbst.
Obwohl Yulya Andryan in Aserbaidschan geboren ist, „darf ich nicht nach Aserbaidschan einreisen“, erzählt sie. Sie habe zwar neben einem armenischen auch einen italienischen Pass, „aber einen armenischen Namen: Andryan“, erklärt sie den Grund. „Zu gefährlich“, fügt sie noch hinzu. Nur ab und an sind sie in Armenien zu Besuch, um „die Familie meines Mannes und meine Schwester zu sehen“. Armenien sei allerdings sehr teuer. Und zuletzt habe sich dort das Coronavirus sehr stark verbreitet, gibt die Duttweilererin zu bedenken.
Häufig sind die Andryans hingegen in Italien, wo auch der Sohn auf die Welt gekommen ist. „Ich habe dort viele Freunde“, sagt die Duttweilerer Spielerin. Egal, ob Sardinien, Aosta oder Sizilien, „alles dort ist schön, das Klima ist angenehm“. Und in dem Land gebe es Meer und Berge zugleich, schwärmt sie. Obwohl sie sich in der Pfalz nun mehr und mehr zu Hause fühle, „habe ich noch kein deutsches Essen gekocht“, gesteht sie schmunzelnd. Helmut Braun korrigiert sie: „Doch, Du hast Kartoffeln gekocht.“ Und Spätzle habe sie bereits gegessen, ergänzt Yulya Andryan lachend. Obwohl „ich die besser nicht esse“, sagt sie und zeigt noch immer lachend auf ihren Bauch.
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Am Anfang sei es für sie in Deutschland recht schwer gewesen, erzählt Yulya Andryan, die als ehemalige armenische Nationalspielerin an jeweils drei Welt- und Europameisterschaften teilgenommen hat. „Ich spreche nicht deutsch“, sagt sie mit ihren noch immer nicht perfekten, aber inzwischen deutlich besser gewordenen Deutschkenntnissen. In einem Geschäft beim Einkaufen einfach mal mit der Verkäuferin übers Wetter zu reden, sei für sie zunächst nicht möglich gewesen. „Wenn Helmut Braun nicht gesagt hätte, dass ich zur Schule gehen muss – ich hätte es nicht gemacht“, gibt sie lächelnd zu und erklärt, warum es ihr noch immer schwer fällt, hier deutsch zu reden: „In Deutschland sprechen viele Menschen russisch – das ist schlecht, denn ich kann nicht gut deutsch lernen.“
Helmut Braun, das ist übrigens der rührige Tischtennis-Abteilungsleiter beim VfL Duttweiler , der Andryan unter seine Fittiche genommen hat. „Ich war 1998 in Eindhoven auf der EM, und Yulya hat dort gespielt“, erzählt er und lacht. Damals habe er nicht geahnt, dass diese Spielerin einmal in seinem Verein aktiv sein werde. Yulya Andryan hat es nach Deutschland verschlagen, weil ihr Mann hier Arbeit gefunden hat. Zuvor hat sie in Italien gelebt, wo sie von 1995 bis 2007 als Profispielerin sowie Trainerin in Messina (Sizilien), in Cagliari (Sardinien) und in Aosta aktiv gewesen ist. Die in Baku in Aserbaidschan geborene Sportlerin spricht längst fließend Italienisch, hat neben der armenischen auch die italienische Staatsangehörigkeit.
Mit Oma Nasik in
einem Zimmer gelebtAls Yulya Andryan 14 Jahre alt war, ist in Baku ihr Tischtennis-Talent entdeckt worden. Sie zog deshalb 1988 zu ihrer Großmutter in Armenien, mit der sie in einem Zimmer in einer Unterkunft gelebt hat. „Oma Nasik ist für mich wie eine Mama gewesen“, erinnert sich Andryan gerne an ihre mit 87 Jahren verstorbene Oma, die Mutter ihrer Mutter. Die Großmutter habe ihr immer Spinat gekocht und sie mit viel Obst versorgt. „Kutab mit viel Obst essen übrigens Aserbaidschaner und Armenier gerne“, weiß sie vom aserbaidschanischem Gericht aus dünn gerolltem Teig. Aber mal abgesehen von den dünnen und gefüllten Fladen gibt es nicht viele Gemeinsamkeiten beider Völker.
Andryans Eltern sind Armenier. Weil ihr Vater sich nicht mit seiner Stiefmutter verstanden habe, sei er einst nach Baku, nach Aserbaidschan gegangen, verrät die Tochter. Von Baku flüchtete die Familie im Jahr 1988 nach Armenien. „Alle Armenier haben damals Aserbaidschan verlassen“, erzählt Andryan und spricht damit den noch immer andauernden Konflikt um die Region Bergkarabach im Kaukasus zwischen beiden Staaten an, der aktuell wieder in die Schlagzeilen geraten ist. „Die politischen Probleme begannen – wir hatten Angst“, erklärt Yulya Andryan die Gründe für die Flucht: 1988 seien in der aserbaidschanischen 65.000-Einwohner-Stadt Sumgait „viele Armenier erschossen worden“.
Ihre Eltern hätten fast alles in Aserbaidschan zurückgelassen, erzählt sie, die zu diesem Zeitpunkt bereits bei der Oma in Armenien gewesen ist. Mit einer Nachbarin hätte ihre Familie einen Lkw bezahlt, diesen mit möglichst viel Hab und Gut beladen und sei nach Armenien gezogen. „Ich liebe aserbaidschanische und armenische Leute“, betont die Tischtennisspielerin heute. Sie bedauere den Konflikt zwischen den Ländern, denn „auf beiden Seiten sind viele junge Männer gestorben“. Sie möchte möglichst nichts mit Politik zu tun haben, betont sie.
25 000 Menschen beim Erdbeben gestorbenDie ohnehin schon nicht einfachen Umstände wurden im Dezember 1988 noch erschwert: Bei einem Erdbeben der Stärke 6,9 auf der Richterskala starben in Armenien rund 25.000 Menschen. Über 514.000 Menschen verloren ihr Zuhause. „Wir hatten kein Licht, keinen Strom“, weiß Andryan noch gut. Weil die Geflüchteten ihr Geld von der russischen in die armenische Währung gewechselt hätten, hätten alle zudem viel Geld verloren. Andryan: „Meine Eltern hatten keine Arbeit.“
Sie selbst sei bei ihrer Oma in der Hauptstadt Jerewan geblieben, weil sie dort Tischtennis gespielt habe. Ihre Eltern und Geschwister hätten in Goris gelebt, einer Stadt in der armenischen Provinz Sjunik, rund 250 Kilometer von der Hauptstadt Jerewan entfernt. „Die waren eine zirka sechs Stunden lange Fahrt weit weg“, beschreibt Andryan die Distanz zu ihrer Familie. Ihre Tante lebe noch immer dort. Yulya Andryan hat sechs Jahre in Armenien gelebt, bevor sie nach Italien gegangen ist, um dort Tischtennis zu spielen. Die Eltern sind etwa zehn Jahre in Armenien geblieben. In dem Land hat Yulya Andryan auch ihren Mann kennengelernt – die beiden haben 2004 in Armenien geheiratet. Er sei ihr später nach Italien gefolgt, berichtet sie.
Insgesamt 25 Jahre hat sie in Italien verbracht, hat dort nicht nur die Sprache erlernt, sondern auch das italienische Essen zu schätzen gelernt. „Lasagne kocht mein Mann“, verrät sie lachend. Er habe in Italien als Koch gearbeitet. Tiramisu und Pesto machten sie ebenfalls selbst.
Obwohl Yulya Andryan in Aserbaidschan geboren ist, „darf ich nicht nach Aserbaidschan einreisen“, erzählt sie. Sie habe zwar neben einem armenischen auch einen italienischen Pass, „aber einen armenischen Namen: Andryan“, erklärt sie den Grund. „Zu gefährlich“, fügt sie noch hinzu. Nur ab und an sind sie in Armenien zu Besuch, um „die Familie meines Mannes und meine Schwester zu sehen“. Armenien sei allerdings sehr teuer. Und zuletzt habe sich dort das Coronavirus sehr stark verbreitet, gibt die Duttweilererin zu bedenken.
Häufig sind die Andryans hingegen in Italien, wo auch der Sohn auf die Welt gekommen ist. „Ich habe dort viele Freunde“, sagt die Duttweilerer Spielerin. Egal, ob Sardinien, Aosta oder Sizilien, „alles dort ist schön, das Klima ist angenehm“. Und in dem Land gebe es Meer und Berge zugleich, schwärmt sie. Obwohl sie sich in der Pfalz nun mehr und mehr zu Hause fühle, „habe ich noch kein deutsches Essen gekocht“, gesteht sie schmunzelnd. Helmut Braun korrigiert sie: „Doch, Du hast Kartoffeln gekocht.“ Und Spätzle habe sie bereits gegessen, ergänzt Yulya Andryan lachend. Obwohl „ich die besser nicht esse“, sagt sie und zeigt noch immer lachend auf ihren Bauch.
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Pressespiegel
Bewegte Lebensgeschichte
vfl-duttweiler.de, 16.10.2020