22. August 1874
Brüderpaar von Zug getötet
Bericht in Pfälzer Zeitung

Die Pfälzer Zeitung berichtet in ihrer Ausgabe vom 18. August 1874 ausführlich von einem Eisenbahnunglück, dem ein Brüderpaar aus Duttweiler zum Opfer fiel: 

Von der Maxbahn
Die beiden bei dem Eisenbahnunglücke von Maikammer todt Gebliebenen sind die Brüder Lichti aus Duttweiler; der eine war 38, der andre 29 Jahre alt. Einer blieb sofort auf dem Platze todt, da der Schädel zerschmettert war; der zweite wurde noch etwa 40 Meter weiter geschleift und starb erst später; er hatte einige Rippen, sowie den Oberschenkel gebrochen, ein Unterschenkel hing noch an der Haut. Beide hinterlassen 2 Witwen mit 7 Kindern. Der Vater der beiden Verunfallten, 74 Jahre alt, erlitt eine Contusion an der Wange. Seine Frau brach den Oberarm und ein 9jähriges Mädchen war unversehrt. Der Bahnwart ist aus Rhodt und genießt an guten Leumund. Die Barriere war offen. (Dem Vernehmen nach war die Locomotive durch den letzten Zug signalisiert worden, der Bahnwart hatte aber das Signal übersehen und daher auch die Barriere nicht geschlossen.)

Die Pfälzer Zeitung berichtet in ihrer Ausgabe vom 22. August 1874 noch einmal ausführlich von einem Eisenbahnunglück, dem ein Brüderpaar aus Duttweiler zum Opfer fiel: 

Zu dem Eisenbahnunglück bei Maikammer schreibt an der Kaisersl. Ztg.: 
„Die von dieser furchtbaren Katastrophe Heimgesuchten kamen von Edenkoben her an die Bahnüberfahrt der Station Maikammer-Kirrweiler. Die tiefgelegene Straße, an deren beiden Seiten Weinberge ansteigen, versperrt daselbst jeglichen Blick auf den Bahnkörper. Die Betheiligten fuhren deshalb um so sorgenloser über denselben, da kurz zuvor in Güterzug ging, da zweitens die Barriere offen stand und drittens kein Bahnwart mit einem Lichte sich blicken ließ. Doch kaum waren sie auf der Mitte, als eine durchbrausende Locomotive den Vordertheil des Wagens mit den Brüdern Jean Lichti (Vater von 5 unversorgten Kindern) und Wilhelm (Vater von 2 nichtschulpflichtigen Knaben) gleichsam aufschnitt, vor sich schob und zertrümmerte, das noch eingespannte Thier mit der Lanne auf die eine, den Hintertheil des Wagens mit seinen Insassen (dem Vater, der Frau und dem5-jährigen Kinde des Jean L. und einer nichtverwandten umstürzte und weithin auseinanderschleuderte. Alles das Werk eines Augenblickes. Die Ehefrau des Verunglückten raffte sich zuerst auf und erblickte zunächst das entfernter liegende Pferd. Schnell wollte sie demselben auf die Beine helfen, indem sie in der Dunkelheit glaubte, ihr Gatte und Schwager kämen ihr schleunigst zu Hilfe. Nun erst hörte sie er sich ein lautes Stöhnen; es kam von dem Vater der -verunglückten Brüder, einem 76-jährigen, aber rüstigen Greise, der ganz erstaunt fragte, wo er wäre. Rasch trocknete sie ihm blutende Gesicht, setzte ihn auf und wurde jetzt von ihrem Knabe erfaßt, das nach dem Vater fragte. Diese Frage und die nun haltende knarrende Locomotive weckte in ihr erst das Bewußtsein, daß sie auf dem Bahnkörper sich befinde, und daß ihr Mann unter die zerschmetternden Räder gerathen sein könnte. Ihr verzweifeltes, angstvolles Rufen brachte erst Bewegung in das Bahnpersonal und die Bewohner der nahe gelegenen zwei Wirthschaften. Immer noch im Dunkel irrte sie rufend von einem Geleise zum andern, bis sie endlich den Vermißten mit ausgestreckten Armen bewegungslos und bluttriefend auf den Schienen fand. Mit verzweifeltem Schrei und überweiblichem Kraftaufwande versuchte sie, ihren Mann aufzuheben, griff dabei jedoch in die tiefklaffenden Wunden des abgerissenen linken Armes. „Wasser, Wasser!“ Endlich wurde eine Gießkanne gebracht und nun wusch sie das Blut, das immer noch strömend aus seinen tiefen Kopfwunden drang, aus seinen erstarrten Zügen. Keine Antwort lohnte ihr entsetzliches Rufen. Nun erst gewahrte sie ihren etwas weiter gelegenen schrecklich zugerichteten Schwager. Mittlerweile beleuchtete das zitternde Schimmern der Pechfackel die grausige Scene. Man brachte die Verunglückten, von welchen der Jüngere noch röchelte, bis ein dunkler Blutstrom ihm den Athem raubte, in den Wartsaal. Schließlich brachte man alle mehr oder weniger Verletzten zusammen und fuhr sie nach Mitternacht in ihre Heimath Duttweiler, wohin die schreckliche Kunde bereits gedrungen war, und die aufgeschreckte Mutter, die andere junge Wittwe und sämmtliche Waisen mit unbeschreiblichem Schmerze erfüllte. Die ganze Gegend nahm hilfreichen Antheil an dem schrecklichen Geschicke, das durch die Pflichtvergessenheit eines schlafenden Bahnwarts eine brave Bürgerfamilie in unsägliches Elend stürzte. Ebenso war die Betheiligung bei dem gestrigen Begräbnisse eine allseitige und trostspendende. Wer beschreibt den Kummer der verlassenen Eltern, der 2 Wittwen und 7 Waisen? Wer sorgt für Letztere? Noch sind die 4 Lebenden in ärztlicher Behandlung. Jedoch scheinen ihre Contusionen weniger gefährlicher Natur zu sein; nur eine Kopfwunde des Greises stellte sich nachträglich gefahrdrohender heraus, als man anfänglich vermuthete.

Pressespiegel
(ohne Titel) Pfälzer Zeitung, 22.08.1874